Weniger Bürokratie, transparentere Regeln

„Mit der Neufassung der Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union wird das Regelwerk für die Verteilung der EU-Mittel vereinfacht“, begrüßt der SPD-Europaabgeordnete Arndt Kohn, Mitglied des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament, die neuen Vereinbarungen. „Ein einheitliches Regelwerk für den Zugang zu EU-Mitteln erleichtert die Verfahren sowohl für die Behörden als auch für die Empfänger europäischer Fördermittel. Die EU-Mittel können so effizienter genutzt werden und Bürokratie wird abgebaut.“

„Die Hauptziele dieser Verordnung sind Vereinfachung und Flexibilität“, so Arndt Kohn weiter. „Dank dieser Neufassung werden die Budgetregeln transparenter sowie die Haushaltsverwaltung flexibler und ergebnisorientierter. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben sichergestellt, dass das Parlament nach wie vor das EU-Budget kontrollieren kann. Die europäischen Fördermittel kommen so weiterhin allen EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen und gleichberechtigt zugute – und somit allen Bürgerinnen und Bürgern.“

In der Haushaltsordnung sind die Grundsätze und Verfahren für den EU-Haushalt sowie für die Kontrolle der EU-Mittel festgelegt. Der vorliegende Legislativvorschlag ist Bestandteil der Halbzeitüberprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) für die Jahre 2014 bis 2020.

Die EU-Kommission schlägt in einem einzigen Rechtsakt sowohl eine Überarbeitung der allgemeinen Finanzvorschriften als auch entsprechende Änderungen der branchenspezifischen Finanzvorschriften vor. Der überwiegende Teil der neuen EU-Haushaltsordnung tritt nach dieser Zustimmung des Europaparlaments im September 2018 in Kraft.

EU-Gipfeltreffen: SPD drängt auf Reformen

Lange musste der französische Präsident sich gedulden. Vor rund einem Dreivierteljahr lieferte Emmanuel Macron an der Universität Sorbonne ein flammendes Plädoyer für ein stärkeres Europa, und stellte konkrete Vorschläge zur Diskussion. Macrons sprach sich unter anderem für ein Eurozonenbudget und einen eigenen Finanzminister der Eurozone aus, fordert eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten in der Verteidigungspolitik, sowie die Schaffung einer gemeinsamen EU-Asylbehörde.

Nach langem Schweigen kam vor einigen Tagen endlich eine Antwort aus dem Kanzleramt. In einem Zeitungsinterview ging Angela Merkel auf Macrons Vorlagen ein. Wenn auch weniger visionär verpackt, ging die Kanzlerin in den Details doch auf Macron zu. Viele ihrer Vorschläge stehen auf Druck der SPD im Koalitionsvertrag.

Kohn: Austeritätspolitik beenden

„Die Europa-SPD setzt sich seit Langem für einen Neustart der Politik in der EU ein“, betont der Europaabgeordnete Arndt Kohn. „Es geht zum Beispiel darum, dass die Austeritätspolitik, die in Südeuropa ganze Regionen ins Elend gestürzt hat und Millionen junger Menschen ohne Arbeit und Perspektive lässt, kein Rezept für die Zukunft sein kann. Wir müssen Investitionen stärker auf die EU-Agenda setzen und dafür sorgen, dass die EU im Falle einer weiteren Finanz- oder Bankenkrise besser aufgestellt ist.“

In dem Zeitungsinterview bekannte sich die Kanzlerin zu einem europäischen Investitionshaushalt, der auch im Koalitionsvertrag steht. Ziel ist es, dass der Wohlstand in Europa durch Investitionen in wirtschaftsschwache Mitgliedstaaten angeglichen wird. Merkel zeigte sich auch der Idee aufgeschlossen, den Euro-Rettungsmechanismus in einen Europäischen Währungsfonds umzuwandeln, um Ländern in wirtschaftlichen Schieflagen unter die Arme zu greifen. Des Weiteren begrüßte Merkel Macrons Vorschlag zu gemeinsamen Militär-Interventionen der EU-Staaten.

SPD fordert Reformbereitschaft

Auf dem EU-Gipfel am 28. und 29. Juni werden die Vorschläge der französischen und der deutschen sowie weiterer Regierungen für Reformen der EU voraussichtlich zusammentragen und verhandelt. Die Staats- und Regierungschefs der EU27 (ohne Großbritannien) wollen in Brüssel auch über den Brexit und über das Euro-Währungsgebiet beraten.

Bereits diese Woche werden sich die EU-Kommission und der Rat im Europäischen Parlament zu dem anstehenden Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs äußern. Anschließend findet eine Plenardebatte zur Gipfelvorbereitung statt. Die Sozialdemokrat*innen werden diese Gelegenheit nutzen, ihren Forderungen für die Zukunft Europas Nachdruck zu verleihen.

„Frau Merkel und Herr Macron müssen auf dem Gipfeltreffen liefern. Sonntagsreden bringen uns nicht weiter in einer Zeit, in der Europa vor massiven Herausforderungen steht und sich gegen Kritiker von links und rechts behaupten muss“, so Arndt Kohn. „Der französische Präsident hat viele gute Vorschläge gemacht, die es nun in die Tat umzusetzen gilt. Es gibt aber auch noch Nachholbedarf: So fehlen zum Beispiel bislang konkrete Vorschläge, um Europa sozial gerechter zu gestalten. Mit einem klaren Signal für eine faire Steuerpolitik könnte Europa verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Hier würde ich mir mehr Einigkeit bei den Staats- und Regierungschefs wünschen.“

Europa vor der Wahl

Die Europawahl im Mai 2019 ist ein Wegweiser für die Zukunft der europäischen Gemeinschaft: Der Urnengang findet wenige Wochen nach dem geplanten Brexit statt, denn der Stichtag für den Austritt Großbritanniens aus der Staatengemeinschaft ist Ende März 2019. Vor dem Hintergrund dieser und vieler weiterer aktueller Herausforderungen liegt es an den Bürgerinnen und Bürgern, die künftige politische Richtung der europäischen Volksvertretung vorzugeben.

Über die genauen Modalitäten der Wahl entscheiden die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Doch es gibt auf europäischer Ebene einige Grundsätze, welche nun reformiert werden. Der Einigung gingen zweieinhalb Jahre zähen Ringens voraus.

Bereits 2015 hatte das EU-Parlament einen weitreichenden Vorschlag auf den Tisch gelegt. Dieser sah zahlreiche Maßnahmen vor, um die europäischen Wahlen attraktiver und transparenter zu gestalten und die europäische Dimension der Wahlen zu stärken. Doch der Ministerrat, dessen einstimmiges Votum für die Reformen erforderlich ist, stand lange auf der Bremse.

Reformen sind Minimalkonsens

Anfang Juni konnten sich die Vertreter der EU-Staaten im Ministerrat schließlich auf einen Minimalkonsens einigen. Dieser bleibt weit hinter den Vorstellungen des EU-Parlaments zurück. So liegt es beispielsweise weiterhin im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob neben den Namen der nationalen Parteien auch die europäischen Parteienfamilien auf den Wahlzetteln erscheinen.

„Die Vorschläge des Parlaments wurden teilweise verwässert“, kommentiert Arndt Kohn, SPD-Abgeordneter aus Stolberg. „Unter anderem halte ich die Frist von drei Wochen vor dem Wahltermin für die Aufstellung der Kandidaten für zu knapp bemessen, denn in einer so kurzen Zeit ist ein seriöser Wahlkampf kaum möglich.“

Fortschritte bei demokratischer Teilhabe

Nichtsdestotrotz sei es gut, dass der Ministerrat sich nun geeinigt habe, so Kohn weiter, denn es ist das erste Mal überhaupt, dass die 1976 aufgestellten Grundsätze für die Europawahlen verbessert werden. Das Reformpaket enthält Maßnahmen zur Verhinderung der mehrfachen Stimmabgabe. Des Weiteren sollen die Mitgliedstaaten auch den Menschen die Teilnahme an der Europawahl ermöglichen, die außerhalb der EU leben. Das bedeutet zum Beispiel für die rund 1,4 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger in der Schweiz mehr demokratische Teilhabe. Darüber hinaus sollen Verfahren wie Briefwahl, vorzeitige Stimmabgabe und e-Voting den Zugang zur Wahl erleichtern.

Arndt Kohn: „Ich plädiere dafür, dass das EU-Parlament dem Beschluss des Ministerrats nun zügig zustimmt, damit die Neuerungen schon nächstes Jahr zum Tragen kommen. Die anstehende Europawahl ist eine Richtungsentscheidung: Alle Befürworterinnen und Befürworter eines vereinten Europas müssen sich den spalterischen Botschaften der Populisten und Hetzer entgegenstellen. Es liegt an den Bürgerinnen und Bürgern, über die politische Zusammensetzung des EU-Parlaments und damit über den künftigen Kurs Europas zu entscheiden.“

Deutschland muss Prozenthürde einführen

Eine weitere Veränderung durch das Reformpaket ist die Einführung einer europaweiten Prozenthürde. In fast allen Mitgliedstaaten finden solche Mindestschwellen für das Erringen eines Europamandats bereits Anwendung, allerdings nicht in Deutschland. In Zukunft soll eine Sperrklausel von zwei bis fünf Prozent verpflichtend sein für alle EU-Staaten, die mit mehr als 35 Sitzen vertreten sind. Betroffen von dieser Änderung sind nur Spanien und Deutschland.

Parteien mit einem niedrigen einstelligen Wahlergebnis sind zurzeit mit sieben der insgesamt 96 deutschen Sitze im Europäischen Parlament vertreten. Dazu zählen mit jeweils einem Sitz die Piratenpartei, „Die Partei“ des Satirikers Martin Sonneborn sowie die NPD. Die neue Regelung sieht vor, dass die Sperrklausel spätestens 2024 in Kraft tritt. Ob sie bereits bei der Wahl im nächsten Jahr Anwendung findet, hängt davon ab, wann und in welcher Ausgestaltung der deutsche Bundestag die EU-Reform umsetzt.

Treibhausgase im LKW-Verkehr reduzieren

Sie sind im Straßenverkehr ein großes Umweltproblem: Die zahlreichen LKW-Fahrten und die Tonnen von CO2, die dabei ausgestoßen werden. Trotz des enormen Schadens, den diese Emissionen anrichten, werden sie bislang weder reguliert noch überwacht, geschweige denn an staatliche Stellen übermittelt. Nun haben die europäischen Gesetzgeber eine Verordnung ausgehandelt, die LKW-Hersteller verpflichtet, die Emissionen all ihrer Fahrzeuge offenzulegen.

In den Verhandlungen mit dem Ministerrat setzte das EU-Parlament die neuen Transparenzstandards durch. Das Überwachungssystem soll es LKW-Käufern ermöglichen, bessere Kaufentscheidungen zu treffen. Herstellern bietet die neue Transparenz größere Anreize, umweltfreundlichere und effizientere Fahrzeuge zu produzieren. Des Weiteren hat das Parlament erreicht, dass die EU-Kommission künftig über Lücken zwischen Fahrzeugtests und Emissionen berichten muss, sowie dass Sanktionen verhängt werden können, sollten die Hersteller fehlerhafte Daten übermitteln.

Europa-SPD fordert Messung der CO2-Werte

Die Sozialdemokrat*innen im EU-Parlament haben sich klar für eine konsequente Überwachung der Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen ausgesprochen. So auch Arndt Kohn: „Dass die globale Erwärmung eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist, weiß mittlerweile jeder. Wir in Europa und weltweit produzieren immer noch viel zu viel CO2 und tun zu wenig, um den Klimawandel zu verlangsamen geschweige denn ihn aufzuhalten. Deshalb ist jeder Schritt sinnvoll, der mit effizienter Technologie den Ausstoß von Treibhausgasen reduziert. Wir müssen diesen Weg konsequent weitergehen, denn es besteht akuter Handlungsbedarf.“

Auf Drängen der sozialdemokratischen Fraktion im Parlament, entgegen den Forderungen der konservativen Europäischen Volkspartei, muss nun auch über Werte der Aerodynamik Auskunft gegeben werden. Je sperriger oder je größer das Fahrzeug, umso mehr Antrieb braucht es, umso mehr Emissionen werden in der Konsequenz dazu ausgestoßen.

Kohn: Handel und Umweltschutz vereinbaren

Wenn das Parlament dem Verhandlungsergebnis zustimmt, kann die Verordnung nach der Annahme durch den europäischen Rat unverzüglich in Kraft treten. Zudem würde das Ergebnis in einen Vorschlag für CO2-Grenzwerte für LKW einfließen, den die EU-Kommission im Mai 2018 veröffentlicht hat und der nun im europäischen Parlament beraten wird.

Arndt Kohn merkt an: „Dass der Handel innerhalb der Union eine der wichtigsten Stützen unserer Wirtschaftskraft ist, steht außer Frage. Für diesen Handel benötigen wir geeignete Transportmittel. Aber um die Vereinbarkeit mit der Umwelt müssen wir uns mehr bemühen. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energien und eine drastische Reduzierung von Treibhausgasemissionen schützen wir auch unsere Agrarressourcen, die ja einen großen Teil zum Handel beitragen. Und jeder kann sich selber fragen, ob es immer die Bestellung im Internet sein muss oder der örtliche Handel auch etwas zu bieten hat.“

Handelspolitik: Besserer Schutz gegen Preisdumping

Unfaire Handelspraktiken gefährden europäische Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze. In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, in denen sich die Handelspartner der Europäer in unfairer Weise Vorteile verschafft haben. Dazu zählen zum Beispiel Exportdumping, Exportsubventionen und vorsätzliche Wechselkursmanipulationen. Handelswaren werden unter Wert verkauft und drängen schlimmstenfalls die teureren einheimischen Produkte vom Markt.

Aber auch in den Bereichen Umwelt und Soziales betreiben manche Staaten Dumping: Umweltstandards werden unterlaufen, Arbeitsnormen nicht eingehalten. Grundlegende Arbeitnehmerrechte wie das Recht auf Gründung von Gewerkschaften und auf Tarifverhandlungen werden verweigert, Arbeitszeiten ausgedehnt und Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen am Arbeitsplatz nur ungenügend sichergestellt. Die Europa-SPD drängt seit Jahren auf Reformen, um solchen Praktiken effektiv entgegenzuwirken.

Ministerrat stand auf der Bremse

Eine Reform der europäischen Handelspolitik lag durch eine jahrelange Blockadehaltung der EU-Mitgliedstaaten lange auf Eis. Erst Ende 2016 nahmen Gespräche im Ministerrat wieder Fahrt auf. Nachdem sich die Mitgliedstaaten endlich auf eine gemeinsame Position verständigt hatten, konnten Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament zur Ausgestaltung der Gesetzgebung beginnen. Diese Woche stimmen die Abgeordneten in Straßburg über die neuen Regeln ab. Wenn eine Mehrheit im Plenum zustimmt,  könnten die neuen Regeln umgehend in Kraft treten.

Die modernisierte Gesetzgebung beschleunigt Verfahren und gestaltet sie transparenter. Zudem erhalten umwelt- und arbeitsrechtliche Standards erstmals gleich an mehreren Stellen Einzug in die Gesetzgebung. So werden zum Beispiel auf Druck des Europaparlaments hin die Kosten der Einhaltung hoher EU-Umweltauflagen in Zukunft bei der Berechnung von Anti-Dumping Zöllen berücksichtigt. Dies wird in der Regel dazu führen, dass die EU in Zukunft höhere Anti-Dumping-Zölle verhängen kann und damit unlauterem Wettbewerb effektiver bestraft.

Kohn: Arbeitsplätze effektiv schützen

Eine weitere Neuerung betrifft Gewerkschaften, denen in Zukunft erstmals explizit eine Rolle in den Verfahren ermöglicht wird. Vor allem kleinere europäische Unternehmen werden in Zukunft von einem Helpdesk profitieren, das als zentrale Anlaufstelle für Fragen und Unterstützung in Anti-Dumping-Fällen fungieren wird.

Arndt Kohn betont: „Die Sozialdemokrat*innen im EU-Parlament haben sich seit Beginn der Verhandlungen für einen effektiven Schutz der europäischen Industrie und der damit verbundenen Arbeitsplätze starkgemacht. Moderne Handelsschutzinstrumente müssen transparent, effektiv und gerecht sein. In dem nun zur Abstimmung stehenden Text wurde dieses Ziel gegen teils erhebliche Widerstände aus den anderen Fraktionen und den Mitgliedstaaten erreicht.“

„Die EU muss zukünftig für ein besseres Gleichgewicht sorgen“, so der SPD-Abgeordnete weiter. „Wir müssen einerseits unsere Hersteller, Händler und damit Arbeitsplätze schützen, dürfen dies aber nicht unbegrenzt auf Kosten von zum Beispiel Ländern in Nordafrika tun. Dort muss auch ein Leben und Auskommen möglich sein. Umso geringer wird der Druck zu fliehen und anderswo sein Glück zu versuchen.“

Kohn: Kein Preisschild für EU-Pass

Weltweit, aber auch in der EU, bieten Staaten sogenannte goldene Visas an. Dahinter verbirgt sich die höchst fragwürdige Praxis, Wohnsitze oder sogar die Staatsbürgerschaften gegen Geld zu vergeben: Wer in das betreffende Land investiert, etwa durch den Ankauf von Grundbesitz oder durch Unternehmensbeteiligungen, erhält mitunter sogar die Staatsbürgerschaft. Während die genauen Bestimmungen von Land zu Land abweichen, ist das Grundprinzip das gleiche. Mehr als ein Dutzend EU-Staaten bieten Varianten der goldenen Visas an.

Der Europaabgeordnete Arndt Kohn (SPD) kritisiert: „Goldene Visas sind in höchstem Maße unfair und unsolidarisch, da die Begünstigten oftmals nicht dieselben Anforderungen für eine Staatsbürgerschaft erfüllen müssen wie reguläre Bewerber. Weder Integrationsbereitschaft noch Sprachkenntnisse scheinen erforderlich zu sein. Wer über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügt, rutscht in der Einwanderungsschlange ganz nach vorne. Alle anderen Bewerber haben das Nachsehen.“

Sowohl das EU-Parlament als auch die Europäische Kommission haben die Visavergabepraxis einiger Mitgliedstaaten in der Vergangenheit wiederholt bemängelt. Diese Woche steht das Thema bei der Plenarsitzung in Straßburg erneut auf der Tagesordnung. Die Sozialdemokraten fordern strengere Regeln und eine bessere Überwachung der Vergabe nationaler Staatsbürgerschaften.

Ein Problem für die ganze EU

Prinzipiell ist es jedem EU-Mitgliedsland selbst überlassen, nach welchen Kriterien die nationale Staatsbürgerschaft vergeben wird. Dies liegt in der Entscheidungskompetenz der einzelnen Länder. Doch mit der Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates erhält der oder die betroffene Bürger*in automatisch auch die EU-Unionsbürgerschaft. Letztere steht nämlich jedem Menschen zu, der oder die Bürger*in eines EU-Staates ist.

Somit hat die nationale Vergabe von Staatsbürgerschaften Auswirkungen auf die ganze EU, da jedem und jeder EU-Bürger*in bestimmte Rechte und Privilegien zustehen, etwa das Recht der Freizügigkeit in der EU (z.B. in ein anderes EU-Land umzuziehen und dort zu studieren oder zu arbeiten).

Kohn: Sicherheitsrisiko

Finanzexperte Arndt Kohn beschäftigt sich in einem Sonderausschuss des EU-Parlaments mit der Bekämpfung von Finanzkriminalität. Er sieht in der Vergabe von Staatsbürgerschaften per Scheckbuch auch ein Sicherheitsrisiko: „Diese Praktiken sind nicht nur moralisch fragwürdig, sondern öffnen auch Tür und Tor für Korruption und kriminelle Machenschaften. Denn die Herkunft des Reichtums der neuen Staatsbürger wird oftmals kaum geprüft. Geldwäscher und Steuervermeider können somit unbemerkt große Summen illegal in den europäischen Markt einzuschleusen. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben!“

Die Sozialdemokraten im EU-Parlament fordern, dass die betreffenden EU-Länder ihre Kriterien zur Vergabe von goldenen Visas offenlegen. Die EU-Kommission müsse die nationalen Praktiken stärker regulieren und die Vergabe von Staatsbürgerschaften genau überwachen. Arndt Kohn merkt an: „Es ist zumindest sehr inkonsequent, dass Länder wie Ungarn, die sich lautstark gegen Zuwanderung positioniert haben, zu den größten Anwendern der goldenen Visas gehören. Dabei ist die europäische Staatsbürgerschaft ein fundamentales Element der Union, an das kein Preisschild gehängt werden sollte!“

EU-Finanzplanung nach Brexit: Die Zeit drängt

Die Europäische Union arbeitet an ihrer neuen langfristigen Finanzplanung für die Zeit nach dem Brexit, denn der aktuelle Mehrjährige Finanzrahmen läuft Ende 2020 planmäßig aus. Anfang Mai hatte die Europäische Kommission ihren lange erwarteten Vorschlag vorgelegt. Demnach werden Programme im Bildungsbereich wie „Erasmus Plus“ und das Forschungsprogramm „Horizont“ finanziell gestärkt und neue Aufgaben wie etwa in der Verteidigungspolitik mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet.

Kürzungen sieht der Kommissionsvorschlag dagegen bei den beiden großen Ausgabenposten Struktur- sowie Agrarpolitik vor. Insgesamt würde der EU-Haushalt anwachsen von aktuell 1,03 Prozent auf 1,11 Prozent des Bruttonnationaleinkommens in Verpflichtungen. Real betrachtet entwickelt sich der EU-Haushalt nur minimal, muss aber nach dem Austritt der Briten von nur noch 27 Mitgliedstaaten geschultert werden. Für Deutschland ergeben sich dadurch Mehrzahlungen im unteren einstelligen Milliardenbereich pro Jahr.

Plastiksteuer im Gespräch

Um diese zusätzlichen Finanzierung zu gewährleisten, schlägt die Kommission mehrere neue Eigenmittel für die EU vor, wie etwa eine Plastikmüllabgabe. Dadurch könnten die nationalen Direktüberweisungen in Zukunft kleiner werden.

Das EU-Parlament bezieht diese Woche bei der Plenarsitzung Stellung zum Kommissionsvorschlag. Die Abgeordneten haben einen Haushaltsrahmen vorgeschlagen, dessen Größe 1,3 Prozent des europäischen Bruttonationaleinkommens entsprechen würde. Diese Position ist ambitioniert, aber das Parlament zeigt damit, wie der Haushalt einer solidarisch weiterentwickelten EU aussehen könnte. Denn nur weil die EU in Sicherheits- und Verteidigungsfragen größer werden soll, werden die Investitionsbedarfe in der EU-Strukturpolitik nicht weniger wichtig. Mehrausgaben sind nötig, um zusätzliche Aufgaben stemmen zu können.

Zudem muss der Haushalt in Zukunft unabhängiger werden vom Segen der nationalen Finanzminister. Das Parlament begrüßt daher den Eigenmittelvorschlag der Kommission und hat bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, dem Mehrjährigen Finanzrahmen nur zuzustimmen, wenn sich auf der Einnahmenseite etwas tut.

Die Zeit drängt

Arndt Kohn: „Die Sozialdemokrat*innen fordern, dass die EU die finanzielle Ausstattung bekommt, um die Vielzahl ihrer bestehenden und neuen Aufgaben effektiv erfüllen zu können. Wir begrüßen ausdrücklich die höheren Budgets für Erasmus Plus und  die Forschungsprogramme! Zur Bewältigung der Flüchtlingsströme muss es aber neben der Verbesserung des EU-Grenzschutzes mehr darum gehen, in die nachhaltige Entwicklung der Herkunfts- und Transitstaaten zu investieren.  Hier muss die EU noch mehr tun, als die Kommission vorschlägt!“

Die EU-Regierungschefs werden sich erstmalig auf ihrem Gipfel Ende Juni 2018 mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen beschäftigen. Viel Zeit sollten sich die Regierungschefs nicht lassen, denn um eine reibungslose Implementierung der zukünftigen EU-Finanzen zu garantieren, sollten sich die EU-Institutionen vor den Europawahlen im Mai 2019 einigen. Zum Vergleich: Die Verhandlungen zum aktuellen Finanzrahmen haben 29 Monate gedauert.

Junckers Personalpolitik in der Kritik

Die Ernennung von Martin Selmayr zum höchsten EU-Beamten hat in den vergangenen Wochen anhaltende Kritik hervorgerufen. Der 47-jährige deutsche Jurist und enge Vertraute von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wurde Ende Februar innerhalb weniger Minuten gleich zweimal befördert: Von seinem Posten als Junckers Kabinettschef stieg er erst zum stellvertretenden Generalsekretär und kurz danach zum Generalsekretär der EU-Kommission auf.

Das Hau-Ruck-Verfahren hat für große Irritationen gesorgt und ist nun auch Thema im Plenum des Europäischen Parlaments: Am 18. April stimmen die Abgeordneten in Straßburg über einen Entschließungsantrag zur Integritätspolitik der Europäischen Kommission ab, in dem das Vorgehen bemängelt und eine Anpassung der Regeln und Verfahren gefordert wird.

Parlament prüft Regelbruch

Nach einer Aussprache während der letzten Plenartagung im März wurde der Haushaltskontrollausschuss damit beauftragt, zu prüfen, ob die Regeln bei der Ernennung eingehalten wurden. Der zuständige Kommissar für Haushalt und Personalfragen, Günther Oettinger, wurde dafür zu einer Anhörung eingeladen. Weder die Anhörung noch die Antworten auf zwei schriftliche Fragebögen von bis zu 80 Seiten ergaben allerdings einen eindeutigen Regelbruch.

„Auch wenn die Kommission gezeigt hat, dass alle Regeln des Beamtenstatuts dem Worte nach eingehalten wurden, so entspricht dieses Vorgehen keineswegs dem Geiste der Regeln“, kritisiert der EU-Abgeordnete Arndt Kohn, der als Mitglied des Haushaltskontrollausschusses an der Debatte teilnimmt. „Es wurden allzu oft Ausnahmeverfahren angewandt, um hochrangige Verwaltungsposten mit bestimmten Personen zu besetzen. Es ist wichtig, dass wir die Regeln anpassen, damit faire und transparente Bewerbungsverfahren in allen EU-Institutionen zur Regel werden.“

Sozialdemokraten fordern Neuausschreibung nach Revision der Regeln

In dem Entschließungsantrag, der aus der Arbeit des Haushaltskontrollausschusses resultiert, fordern die Sozialdemokraten, dass die Stelle des Generalsekretärs nach einer Revision der Regeln von der nächsten Kommission wieder zu besetzen ist. Einige Abgeordneten fordern den umgehenden Rücktritt des neuen Generalsekretärs und schlagen sogar eine Verschiebung der Entlastung der Kommission vor. Dies hält Arndt Kohn allerdings nicht für zielführend:

„Es liegt kein Regelverstoß vor, der solche Schritte rechtfertigen würde. In Zeiten von Brexit, drohendem Handelskrieg und vielen weiteren Konflikten brauchen wir eine handlungsfähige Kommission. Auch eine neue Ausschreibung der Stelle ist nicht sinnvoll, solange es keine neuen Regeln gibt.“

Zeitgleich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag wird das Europäische Parlament über die Entlastung des EU-Haushalts entscheiden. Die Entlastung ist ein wichtiges Instrument der parlamentarischen Kontrolle, mit dem das Parlament die Haushaltsführung der EU prüft. Bisher wurde die Entlastung nur einmal 1998 verweigert, was 1999 zum Rücktritt der damaligen Kommission unter Jaques Santer führte. Arndt Kohn ist Schattenberichterstatter für den Teil der Entlastung, der sich mit allen EU-Institutionen mit Ausnahme von Kommission und Parlament befasst.

Facebook-Skandal: Datenmissbrauch stoppen

Die Nutzung sozialer Netzwerke gehört heute für viele Menschen zum Alltag dazu. Doch die jüngsten Enthüllungen rund um den US-Giganten Facebook haben einmal mehr gezeigt, dass die Sicherheit der Nutzerdaten keinesfalls garantiert ist. Wie der Whistleblower Christopher Wylie enthüllte, sind Nutzer*innen einer bestimmten Facebook-App und ihre Facebook-Freund*innen Opfer eines groß angelegten Datenmissbrauchs geworden.

Insgesamt sollen bis zu 87 Millionen Menschen betroffen sein, darunter über 300.000 Fälle in Deutschland. Die Daten sollen zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen missbraucht worden sein. Besonders besorgniserregend: Diese Profile sollen genutzt worden sein, um den US-Wahlkampf sowie das Brexit-Referendum zu manipulieren. Der Datenmissbrauch hat so möglicherweise gravierende Auswirkungen auf demokratische Prozesse.

„Die Datensammelwut von Facebook und Co. muss ein Ende haben“, kritisiert der Europaabgeordnete Arndt Kohn (SPD). „Facebook muss diese illegalen Praktiken jetzt schnell stoppen und mehr Transparenz schaffen.“

Facebook-Skandal wird Thema im Parlament

Noch sind im Facebook-Skandal etliche Fragen offen, etwa welche Informationen konkret abgezapft wurden und wie viele Menschen genau betroffen sind. Auch auf Drängen der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten findet deshalb in dieser Woche im Europäischen Parlament eine Plenardebatte zum Thema statt. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wurde eingeladen, dem Innenausschuss des Parlaments Rede und Antwort zu stehen.

Die Aufarbeitung des aktuellen Skandals ist jedoch nur der erste Schritt. Die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament fordert robuste Regeln, um den effektiven Schutz von Nutzerdaten zu gewährleisten. Unter anderem wird aktuell über die sogenannte ePrivacy-Verordnung gestritten, welche die Vertraulichkeit elektronischer Kommunikation sichern soll. Seit über einen Jahr blockieren die EU-Mitgliedstaaten und die konservativen Kräfte im EU-Parlament die geplante Reform.

Ein Meilenstein: Die neue Datenschutz-Grundverordnung

Auf eine wesentliche Verbesserung in Sachen Datenschutz konnten sich die europäischen Institutionen dagegen bereits einigen: Im Mai diesen Jahres tritt die neue Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Damit gibt es erstmals ein einheitliches Datenschutzgesetz in der EU. Die europäischen Sozialdemokrat*innen hatten die Verordnung 2016 gegen teils erheblichen Widerstand der konservativen Parteien durchgeboxt.

Ohne die explizite Zustimmung des Nutzers dürfen Unternehmen künftig keine Daten mehr verarbeiten. Auch ermächtigt die Verordnung die europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden, Strafen von bis zu vier Prozent des jährlichen Umsatzes gegen Firmen zu verhängen, die Datenschutzregeln missachten.

Arndt Kohn kommentiert: „Die klaren Gewinner der neuen Datenschutz-Grundverordnung sind die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher, die künftig deutlich mehr Souveränität über ihre eigenen Daten besitzen. Sie entscheiden, welche Daten Konzerne verarbeiten dürfen und sie können ihre Zustimmung jederzeit widerrufen. Die Europa-SPD setzt sich dafür ein, den Datenschutz weiter zu stärken.“

Macrons Rede mit Spannung erwartet

Emmanuel Macrons Zukunftsvisionen für Europa fordern vor allem eins: Mehr. Mehr Engagement der Mitgliedstaaten, mehr Investitionen, mehr Zusammenarbeit für ein stärkeres Europa. Nach seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten stellte Macron vergangenes Jahr in seinen Reden an der Pariser Universität Sorbonne sowie in Athen seine Ideen für die Zukunft der Staatengemeinschaft vor und regte unter anderem ein eigenes Eurozonenbudget und einen EU-Finanzminister an.

Doch Macron musste sich lange in Geduld üben: Die langwierige Regierungsbildung in seinem wichtigsten Partnerland Deutschland bremste seinen Reformwillen zunächst aus. Nachdem die Regierung in Berlin nun steht, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, ob den Absichten auch Taten folgen.

Springt der deutsch-französischer Motor an?

„Für den Fortschritt in der Europäischen Union ist es entscheidend, dass Frankreich und Deutschland an einem Strang ziehen“, erklärt Arndt Kohn (SPD), EU-Abgeordneter aus der Region Aachen. „Die Bundesregierung hat dem Thema Europa in ihrem Koalitionsvertrag einen prominenten Platz eingeräumt. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben der Union wichtige Zusagen abgerungen, etwa zur Stärkung des EU-Haushaltes und für ein sozialeres Europa. Jetzt muss Butter bei die Fische: Zusammen mit Macron müssen wir Europa jetzt nach vorne bringen.“

In dieser Woche ist Emmanuel Macron ins EU-Parlament eingeladen, wo er sich mit den Abgeordneten über seine Ideen austauschen wird. Neben seinen wirtschaftspolitischen Reformplänen fordert er auch eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten in der Verteidigungspolitik, die Schaffung einer gemeinsamen EU-Asylbehörde und eine engere Abstimmung etwa in den Bereichen Digitalisierung, Terrorismus-Bekämpfung und Klimaschutz.

Sozialpolitik muss im Vordergrund stehen

Die Sozialdemokrat*innen im Europäischen Parlament setzen sich jeher für eine starke, gemeinschaftliche Europäische Union ein und sind damit Macron und seine Vorschlägen gegenüber aufgeschlossen. Abzuwarten bleibt allerdings, ob Macrons Pläne sozialpolitisch mit den sozialdemokratischen Vorstellungen auf einer Linie ist.

„Die EU muss wieder mehr Menschen davon überzeugen, dass Europa gut für sie ist“, kommentiert Arndt Kohn. „Wir müssen verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Steuerliche Pflichten auch für Großkonzerne und verstärkte Anstrengungen bei der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit sind nur zwei Maßnahmen für ein gerechteres Europa. Ich bin gespannt, welche Vorschläge Macron in diesen Bereichen vorlegen wird.“