Das freie Internet steht auf dem Spiel

Wie sieht ein modernes Urheberrecht in Europa aus? Darüber gehen im EU-Parlament die Meinungen zurzeit stark auseinander. Bei der Plenarsitzung in Straßburg stimmen die Abgeordneten darüber ab, wie sich das Parlament für die weiteren Verhandlungen über die Urheberrechtsreform mit dem Ministerrat positioniert. Die sozialdemokratische Fraktion will dabei vor allem die neuen Bestimmungen zu sogenannten Uploadfiltern überarbeiten, welche die Konservativen im Rechtsausschuss federführend durchgesetzt hatten.

In ihrer derzeitigen Form würde die Reform alle Online-Plattformen, die nutzergenerierte Inhalte anbieten, dazu verpflichten, hochgeladene Inhalte noch vor der Veröffentlichung auf Urheberrechtsverstöße zu prüfen und gegebenenfalls zu sperren. Aufgrund der schieren Menge ist die Umsetzung einer solchen Prüfung nur maschinell. Kritiker befürchten durch solche computergesteuerten Uploadfilter eine automatisierte Zensur.

„Uploadfilter gefährden die Meinungs- und Kunstfreiheit im Netz, denn Algorithmen sind nicht in der Lage, eine Urheberrechtsverletzung von einer legalen Verwendung von geschützten Werken zu unterscheiden“, so der Europaabgeordnete Arndt Kohn (SPD). „Satire, Parodie oder vom Zitatrecht gedeckte Verwendungen sind in Gefahr. Mit den geplanten Neuerungen würden große Plattformbetreiber die Verpflichtung und damit auch die Macht erhalten, darüber zu entscheiden, was hochgeladen wird und was nicht.“

Falscher Weg zum richtigen Ziel

Auch das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverleger sieht die Europa-SPD kritisch. Denn wenngleich der Schutz geistigen Eigentums auch im digitalen Zeitalter gewährleistet werden muss, so sind die Reformvorschläge der konservativen Fraktion der falsche Weg zum Ziel, erläutert Arndt Kohn: „Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger stärkt die Position der Urheber nicht. Außerdem erschwert es die Situation kleinerer Verlage. Denn diese sind darauf angewiesen, von Suchmaschinen gelistet zu werden, um überhaupt eine Online-Leserschaft zu finden.“

Zum Schutz der Investitionsleistung der Presseverleger und der kreativen Leistung der Journalisten hat die Europa-SPD deshalb einen alternativen Kompromiss unterstützt, der eine sogenannte Vermutungsregelung eingeführt hätte. Diese hätte es Presseverlegern erlaubt, in eigenem Namen gegen Urheberrechtsverletzungen zu klagen, sodass die Durchsetzung der Rechte der Journalisten gegen große Plattformbetreiber einfacher gewesen wäre.

Bei den Verhandlungen im Rechtsausschuss hatten die sozialdemokratischen Abgeordneten außerdem mehrere Verbesserungen für Kreative durchgesetzt: Vorschriften für eine faire Vergütung, mehr Transparenz, Mechanismen zur Streitbeilegung, ein Widerrufsrecht sowie Klauseln zur Vertragsanpassung stärken unmittelbar die Rechte der Urheber. Doch da die Konservativen auf den Uploadfiltern bestanden, hat die Europa-SPD im Rechtsausschuss gegen das Regelpaket gestimmt.

„So sieht kein modernes Urheberrecht aus“

Sollte das Plenum nun der Vorlage des Rechtsausschusses folgen, wäre dies die Vorlage für die weiteren Verhandlungen des EU-Parlaments mit dem Ministerrat über die Urheberrechtsreform. Die sozialdemokratische Fraktion wird dieses Verhandlungsmandat jedoch bei der Abstimmung im Plenum anfechten, um eine inhaltliche Wende zu erreichen.

„Uns erreichen zurzeit zahlreiche Nachrichten von Bürgerinnen und Bürgern, die sich über die geplanten Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht Sorgen machen“, berichtet Arndt Kohn. „Das müssen wir ernst nehmen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Reform sollte ursprünglich das Urheberrecht an die digitalen Bedingungen des 21. Jahrhunderts anpassen. Doch so sieht kein modernes Urheberrecht aus. Wir müssen die fehlerhafte Vorlage des Rechtsausschusses dringend überarbeiten.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert