Die Lebensmittelversorgungskette besteht aus einer Vielzahl an Akteuren: Landwirte, Verarbeiter, Händler, Großhändler und Verbraucher. Gerade Landwirte sowie kleine und mittlere Unternehmen sind in diesem Machtgefüge oftmals in einer schwachen Verhandlungsposition und sehen sich mit unlauteren Handelspraktiken konfrontiert, die ihnen das Geschäft erschweren.
Diese Woche stimmt das Europäische Parlament in Straßburg über einen Gesetzesvorschlag ab, welcher das Ungleichgewicht in der Versorgungskette korrigieren soll. Unlauteren Handelspraktiken, die durch die neue Regelung unterbunden werden sollen, sind unter anderem verspätete Zahlungen für verderbliche Lebensmittelerzeugnisse, Auftragsstornierungen in letzter Minute und erzwungene Zahlungen des Lieferanten für die Verschwendung von Lebensmitteln.
Mehr Planungssicherheit für Landwirte
Solche Methoden weichen von der guten Handelspraxis ab und verstoßen gegen das Gebot von Treu und Glauben. Ziel der Neuregelung ist es daher, dass Landwirte und kleine Betriebe nicht länger gezwungen sind, über Risiken zu spekulieren, auf welche sie keinen Einfluss haben. Stattdessen sollen sie Planungssicherheit erhalten.
„Das neue Regelwerk dient dazu, denjenigen Akteuren in der Lebensmittelversorgungskette, die sich in schwachen Verhandlungspositionen befinden, eine Stimme zu geben und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen“, erklärt der Europaabgeordnete Arndt Kohn. „Unlautere Handelspraktiken werden einem Verhandlungspartner oft einseitig aufgezwungen, sodass vor allem kleine und mittlere Lebensmittelunternehmen schlechte Chancen auf dem Markt haben.“
Verbindlicher Rechtsrahmen statt Freiwilligkeit
Es ist das erste Mal, dass die Europäische Union gesetzlich gegen unlautere Geschäftspraktiken vorgeht. Bislang gab es in den Mitgliedstaaten nur einen Verhaltenskodex der freiwilligen Initiative zur Verbesserung der Lebensmittelversorgungskette. Dieser bleibt auch weitergehend ergänzend bestehen.
„Die freiwillige Initiative ist immer noch zu begrüßen, reicht aber nicht aus“, so der SPD-Politiker Arndt Kohn. „Durch schwache Strukturen konnten nur selten Sanktionen verhängt oder bei Verdachtsfällen Untersuchungen durchgeführt werden. Mit den neuen Regeln steuern wir gegen und schaffen mehr Transparenz und Wettbewerbsfähigkeit in der Lebensmittelversorgung.“ Der neue Rechtsrahmen verpflichtet die Mitgliedsstaaten künftig, eine Behörde zu benennen, die für die Durchsetzung der Vorschriften zuständig ist und bei Verstößen Geldstrafen verhängt.
Sozialdemokratische Fraktion setzt sich durch
Während der Verhandlungen über den Gesetzesvorschlag kamen zwei Kontroversen auf: Die konservative Europäische Volkspartei forderte, Supermärkte sollten keine Standards verlangen dürfen, die über EU-Regelungen hinausreichen. Dies hätte jedoch erhebliche Rückschritte in Umwelt- und Tierschutz bedeutet. Weiterhin wollte die konservative Fraktion Genossenschaften einschränken. Auch dies ist aus Sicht der Europa-SPD der falsche Ansatz.
Angetrieben von der sozialdemokratischen Fraktion wurden schlussendlich beide konservativen Forderungen aus dem finalen Entwurf, welcher diese Woche in Straßburg zur Abstimmung steht, gestrichen.